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Frühling im Naturreservat March-Auen

Eine Legende über Marchegg besagt, dass nur einmal ein Storch nicht auf einer alten Eiche, sondern auf einem Haus seinen Horst errichtet hat. Dieses war das Haus einer Hebamme, die hunderten Kindern auf die Welt geholfen hat.

Sobald die Temperaturen die 20°C-Marke erreicht haben, tummeln sich die Menschen in den March-Auen um Biber, Rotbauchunken, Konikpferde aber vor allem um die Ruhe der Au zu genießen und dem Alltagsstress zu entkommen. Gerade jetzt, wo im ganzen Land eine Ausgangssperre gilt, wünscht man sich doch durch die Au zu spazieren und die ganzen Sorgen rund um das Coronavirus zu vergessen. Jedoch muss dieses „Seelenbaumeln“ und „Frischluftatmen“ noch warten, denn aufgrund der Situation sollten sich nicht zu viele Menschen auf den beliebten Wanderwegen in der Au befinden. Aber einen Vorteil hat die ganze Sache, denn nun haben die Störche genug Ruhe, um zu brüten, und hoffentlich können wir dann Mitte Mai/Anfang Juni die Jungstörche wieder bestaunen.

Die Störche sind wieder da! Die nächste Generation ist gesichert!

Wenn sich ein kleiner schwarzer Punkt am Himmel völlig erschöpft einem der Storchenhorste des Naturreservat March-Auen nähert, weiß man: Die Störche sind zurück. Jedes Jahr im März fliegen die Weißströche von ihrem Winterquartier in Südafrika eine rund 10.000 Kilometer lange Strecke nach Marchegg, um dort den Frühling und Sommer zu verbringen. Auch heuer, Mitte März, war es soweit, und der erste Storch nahm seinen Horst in Besitz. Das Naturreservat March-Auen liegt zwischen den Gemeinden Marchegg und Zwerndorf und umfasst neben vielfältigen Wiesen, Auwäldern und Augewässern eine rund 1.100 Hektar große Fläche. Um den Erhalt des vielfältigen Bestands zu sichern, wird das Naturreservat vom WWF betreut und nachhaltig bewirtschaftet. Bei der Altbaumpflege wird besonders darauf geachtet, dass die Arbeiten in den Monaten stattfinden bevor die Störche nach ihrer langen Reise von Südafrika in Marchegg eintreffen.

Aber auch die Entwicklung der naturnahen Wiesen und Augewässer im Gebiet sind Teil der Schutzgebietsarbeit. Das Entfernen von nicht standortgerechten Baumarten im Zuge von Durchforstungen ist eine wichtige Maßnahme zum Erhalt der heimischen Baumarten. Vor allem die als invasive Neophyten Eingestuften, welche durch ihr massenhaftes Aufkommen den naturnahen Waldbestand verschlechtern, müssen sorgsam entfernt werden. viadonau hatte im Zuge des LIFE-Projekts 11 invasive Arten festgestellt und diese mechanisch entfernt, um einen stabilen Bestand an heimischen Gehölzen gewährleisten zu können.

Einzigartig für Mitteleuropa ist auch die ursprüngliche Brutplatzwahl, denn die alten, meist abgestorbenen Eichen in den March-Auen haben es den Weißstörchen angetan. Sie bieten neben gutem Schutz vor Wildtieren auch eine überragende Aussicht. Mittlerweile befinden sich rund 50 Storchenhorste in der Storchenkolonie in Marchegg, mit steigender Tendenz. Störche sind ihren Horsten treu. Sofern bei der Ankunft der Horst vom Vorjahr noch frei ist, wird an diesem weitergebaut. Solche Horste können einige 100 Kilogramm schwer werden und beachtliche Größen annehmen. Die mächtigsten Storchenhorste sind laut WWF zwei Meter hoch, messen eineinhalb Meter im Durchmesser und wiegen bis zu 800 Kilogramm. Durch angebrachte Bruthilfen im Schlosspark und in der Au sollen sich Störche einfacher neue Horste bauen können und so die alten Eichen entlasten. Auch werden Bruthilfen angebracht, wenn durch Stürme Horste so beschädigt sind, dass sie nicht mehr genutzt werden können. Diese „Kunsthorste“ aus geflochtenen Weiden werden von den Störchen mittlerweile gerne angenommen.

Artenvielfalt = Artenschutz

2015 und 2016 bekamen die Weißstörche neue Mitbewohner im Auenreservat, denn 9 Konikpferde zogen aus einem Reservat in Polen nach Marchegg. Mit diesem Beweidungsprojekt versucht der WWF und viadonau im Rahmen des LIFE-Projekts an alte Weiden-Traditionen anzuknüfen. Mit Erfolg, denn mit Projektende ist die Herde auf 21 Tiere angewachsen. Die Huftiere gestalten und pflegen die Aulandschaft natürlich und schaffen eine Vielzahl an Lebensräumen für viele gefährdete Arten. Die großen Pflanzenfresser erleichtern auch den Störchen die Futtersuche, diese bevorzugen nämlich offenen niedrigwüchsigen Weiderasen. Durch ein umfangreiches Monitoring konnte bereits in den ersten fünf Jahren eine positive Auswirkung auf die Biodiversität fest- und sichergestellt werden.

Schon von weitem kann man das klappern der Störche hören, doch dieses Klappern kann vieles bedeuten. So werden zum Beispiel Familienmitglieder begrüßt oder aber auch Feinde vertrieben. Ebenso wird auf diese Weise um Weibchen geworben. Bei Erfolg beginnen die Weißstörche auch schon mit der Paarung. Störche führen „Saisonehen“. Das heißt, dass Sie während der Paarungssaison mit demselben Partner die Jungtiere aufziehen. Sobald die ersten Jungen schlüpfen (meist Mitte Mai), bleibt stets ein Storch im Horst, während der andere auf Futtersuche fliegt. Bis zu fünf Kilogramm muss dann am Tag für die Familie herangeschafft werden.

Was Nahrung betrifft sind Störche nicht besonders wählerisch, denn egal ob Frösche, Heuschrecken, Fische, Hasen, Würmer oder Mäuse, alles was in ihren Schnabel passt, wird gefressen. Auch die wenigen Urzeit-Krebse im Naturdenkmal Tümpelwiese beim Pulverturm in Marchegg fallen den Störchen oft zum Opfer.

Scheuer Verwandter: der Schwarzstorch

Viel zurückgezogener lebt der Schwarzstorch in den March-Auen, nur bei seinen mitttäglichen Flügen nach Nahrung kann man ihn beobachten. Insgesamt drei bis vier Brutpaare konnten in Marchegg in den letzen Jahren beobachtet werden (Stand 2017). Die Nistplätze befinden sich versteckt im Wald, gemeinsam mit der Reiherkolonie.

Wiesenrückführung

Bis auf einen kleinen Teil liegt das Reservat im Überschwemmungsgebiet der March, diese überschwemmten Flächen haben eine große Bedeutung für das Überleben der Störche. Denn wenn die Hochwässer ausbleiben, bleiben auch die Wiesen trocken und die Störche finden kaum oder gar kein Futter mehr. Auch durch die Intensivierung der Landwirtschaft hat die Zahl der Feuchtwiesenbestände in den March-Thaya-Auen dramatisch abgenommen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, sind im Zuge des LIFE-Projekts “LIFE Untere March“ über 12 Hektar an Fläche angekauft worden. Mit Einsaat und Direktübertragung von Mähgut von angrenzenden Flächen konnten die typischen Brenndolden-Auwiesen wiederhergestellt werden. Diese besondere Form der Auwiese ist geprägt durch den Wechsel von Überschwemmungen und Trockenzeiten, welcher sich optimal für die Futtersuche der Störche eignet. Aber nicht nur Störche tummeln sich auf den Wiesen, auch bodenbrütende Vogelarten, wie der Wachtelkönig, der Kiebitz oder die Schafstelze. Seltene Pflanzenarten wie die Glanzblättrige Waldrebe oder das Gnadenkraut können sich durch den Gewinn an Wiesenfläche wieder ansiedeln.

Unscheinbare Senken - Wichtige Sutten

In den weitläufigen Acker- und Wiesenlandschaften findet man auch zahlreiche Sutten, die als kurzzeitige Stillgewässer für viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten einen wichtigen Rückzugsraum darstellen. Um diesen wichtigen Lebensraum zu erhalten, wurden im Rahmen des „LIFE-Unter March“-Projekts Bewirtschaftungsvereinbarungen für über 20 Hektar Sutten mit Landwirten abgeschlossen. Diese Vereinbarung bezieht sich auf eine Dauer von 20 Jahren und soll sicherstellen, dass bei der Bewirtschaftung Rücksicht auf die vorkommenden Arten genommen wird, um die Artenvielfalt weiterhin zu stärken. Denn diese unscheinbaren Sutten beherbergen Urzeitkrebse, seltene Pflanzen (wie Schlammling oder Igelkolben) aber auch verschiedenste Amphibien wie die Rotbauchunke oder den Donaukammmolch.

Landesaustellung 2022 in der Storchenstadt Marchegg

Das Marchfeld gilt als eine aufblühende Region zwischen Wien und Bratislava. 2022 findet im barocken Schloss von Marchegg die Niederösterreichische Landesausstellung statt. Aufgrund der beeindruckenden Natur in den March- und Donau-Auen zieht es jährlich tausende Touristen in dieses Gebiet. Einzigartige Naturräume wie die Sanddünen in der Weikendorfer Remise, die Storchenkolonie in Marchegg oder der Nationalpark Donau-Auen sind von hoher Bedeutung für Mensch und Natur. Bei der Landesaustellung soll genau diese Weiche zwischen Mensch und Natur veranschaulicht werden.

Steckbrief Weißstorch und Schwarzstorch (Quelle: WWF)

Weißstorch (White Stork, Ciconiaciconia)

Merkmale: Großer Schreitvogel, weißes Gefieder, schwarze Schwingen, lange rote Beine.
Lebensraum: Brütet in Feuchtgebieten, braucht für die Nester breite Anflugschneisen (Dächer, Schornsteine, kahle Bäume).
Vorkommen: Mittel- und Osteuropa, in Österreich: Burgenland, Südost-Steiermark. Im WWF-Reservat Marchegg lebt die größte Baumbrüter-Kolonie Europas mit bis zu 50 Paaren; überwintert in Afrika (bis Südafrika).
Nahrung: Schreitjäger; Insekten (Heuschrecken), Feldmäuse, Frösche, Fische.

Länge: 95-110cm
Spannweite: 180-215cm
Gewicht: 2,3-4,4kg
Nestgewicht: bis zu 800kg

Schwarzstorch  (Black Stork, Ciconianigra)

Merkmale: Kleiner und schlanker als der Weißstorch, schwarzes Gefieder, weißer Bauch und Achseln, Schnabel und Beine sind kräftig rot.
Lebensraum: Brütet in dichten, unzugänglichen Laub- und Nadelwäldern, im Bergland und Auwäldern, ist sehr wendig, kann Nester auch im dichten Wald anfliegen, braucht natürliche Gewässer zur Nahrungssuche.
Vorkommen: Mittel- und Osteuropa, Ostösterreich, größtes Brutgebiet in den March-Thaya-Auen (ca. 20 Paare), überwintert im tropischen Afrika.
Nahrung: Fische, Frösche, gelegentlich andere Wirbeltiere und Insekten.

Länge: 95-105cm
Spannweite: 180-200cm
Gewicht: 2,6-3,2kg

Die Autorin

Fiona Türk studiert Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien. Einen Tag pro Woche sammelt sie praktische Erfahrungen im Team Umwelt/Ökologie bei viadonau.