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Was einst getrennt … – Gewässervernetzung bei Angern an der March

Als europäisches Natura 2000 Gebiet beherbergen die March-Thaya-Auen heute 25 europaweit gefährdete Tiere und Pflanzen und 110 regelmäßig auftretende Zugvögel – ein sensibler Naturraum mit ausgeprägter Biodiversität, der vor allem eines zeigt: dort wo sich der Lebensraum Fluss optimal entfalten soll, müssen die richtigen Grundlagen geschaffen werden.

Dem aufmerksamen Wanderer oder Naturfreund ist es längst aufgefallen. Seit dem Frühjahr 2016 war an der March entlang des 33. Flusskilometers so einiges im Gange. Schaufelbagger rangierten und gruben über die Frühlings- und Sommermonate unweit der Fähre Angern emsig in einem teils verlandeten Bett eines alten Seitenarms. Immer wieder griffen die schweren Maschinen dabei kräftig ins Erdreich, um gewaltige Mengen davon auszuheben und dabei den Verlauf des alten Seitengerinnes neu zu prägen. Das nur scheinbar rohe Werk der Baggerschaufeln – nicht weniger als ein chirurgischer Eingriff der flussbaulichen und –ökologischen Art. Es galt, der March einen ihrer lange verlorenen Arme wiederzugeben.

Über 27.000 Kubikmeter Erde wurden bewegt. Das entspricht dem Volumen von 400 40-Fuß-Frachtcontainern. „Eine Menge, die auch nötig war“, erklärt Franz Steiner, Projektmanager für den Bereich Hochwasserschutz und Erhaltung bei viadonau. „Eines unserer Ziele war es, auch bei Niederwasser eine gute Durchströmung des Nebengerinnes zu ermöglichen. Daher war es wichtig, das alte Profil des Seitenarms wiederherzustellen.“

Im Verlauf einer wechselvollen Regulierungsgeschichte der March wurde der Altarm bei Angern schließlich vollständig vom Hauptgerinne getrennt und teilweise verfüllt. „Auch wiederholte Hochwasserereignisse haben dem Gebiet über die Jahrzehnte zugesetzt – ein kostbares Naturhabitat drohte zu veröden“, weiß der Erhaltungsexperte und erklärt die Ziele des jüngsten flussbaulichen Eingriffs: „Mit der Wiederanbindung wollen wir gemeinsam mit Gemeinde und Fischereiverein Angern nicht nur eine landschaftliche Aufwertung des Gebiets sondern vor allem auch eine ökologische. Das Wasser der March soll hier wieder einen Extra-Bogen schlagen dürfen und so den Uferraum nachhaltig neubeleben.“

Anatomie eines Flusses

Die March ist ein Tieflandfluss, der auf 1194 Meter im Glatzer Schneegebirge an der Grenze zwischen Polen und Tschechien entspringt. Sich stark mäandrierend über 358 Kilometer zwischen Tschechien und der Slowakei bis nach Ostösterreich schlängelnd mündet sie dort schließlich an der Thebener Pforte, westlich von Bratislava und gegenüber von Hainburg in die Donau.  

Sowohl flussbaulich als auch ökologisch war die March seit jeher ein echter Hot Spot unter den Fließgewässern Ost- und Mitteleuropas. Die ersten größeren Regulierungsprojekte erfolgten bereits Anfang des 19. Jahrhunderts und leiteten eine Flussbauphase ein, die erst 1964 mit dem letzten Durchstich bei Ringelsdorf beendet war. Durch die Regulierung verkürzte sich die Marchgrenzstrecke um rund 11 Kilometer. Das führte zu einem stärkeren Gefälle und veränderte die Geschiebedynamik des Flusses nachhaltig. Die langfristige Folge war eine fortschreitende Eintiefung im mittleren Abschnitt der Grenzstrecke. Ab 2004 wurde im Rahmen des „Bilateralen Gesamtprojekts March“ damit begonnen, gemeinsam mit den slowakischen Behörden abgestimmte Renaturierungskonzepte zu erarbeiten.  

Denn gleichzeitig ist die March-Thaya-Region auch ein kostbares Refugium einer vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt. Als europäisches Natura 2000 Gebiet beherbergen die March-Thaya-Auen heute 25 europaweit gefährdete Tiere und Pflanzen und 110 regelmäßig auftretende Zugvögel – ein sensibler Naturraum mit ausgeprägter Biodiversität, der vor allem eines zeigt: dort wo sich der Lebensraum Fluss optimal entfalten soll, müssen die richtigen Grundlagen geschaffen werden.

Operation: Seitenarmanbindung

Bereits im Jahr 2009 entstanden gemeinsam mit dem Fischereiverein Angern und der Marktgemeinde Überlegungen, das alte Mündungsgebiet des Seitenarms 500 Meter oberhalb der Fähre Angern ökologisch aufzuwerten und den Seitenarm und damit seine natürliche Funktion wiederherzustellen. Der Plan den 820 Meter langen Altarm freizubaggern und an den Hauptstrom wiederanzuschließen sollte neue dynamische Fließgewässerlebensräume für Fische, Biber, Fischotter und Eisvögel schaffen.  

Geplant, getan – Wiederbelebung eines Flussufers
Der Rekordsommer 2015 heizte auch unseren Flüssen ordentlich ein und brachte damit günstige Witterungsbedingungen für flussbauliche Maßnahmen an der March. Durch die Niederwassersituation konnten die Arbeiten vor allem im August zügig vorangetrieben und bereits am 26. August die Ufersicherung im Einströmbereich entfernt werden. Am 1. September war es dann soweit – mit dem Durchstich zum Hauptstrom wurde die Anbindung des Altarms endgültig vollzogen und damit die belebende „Durchblutung“ eines erhaltenswerten Stücks Flusslandschaft wiederhergestellt. Die am Projekt Beteiligten zeigten sich zufrieden und optimistisch.

„Die Wiederanbindung bedeutet Aufwertung für alle – neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere und ein Stück wilde March als Naturerlebnis etwa für Wanderer und Angler. Hier bildet die March mit ihrem Seitenarm heute wieder ein flussökologisches Ganzes“, schließt Franz Steiner.

Der Autor
Andreas Herkel ist seit 2014 bei viadonau als Content Manager in der Unternehmenskommunikation tätig.
E-Mail: andreas.herkel[at]viadonau.org